Die Arbeitsfähigkeit der Energie:
Schlüssel für Energieeffizienz

Beispiel: Aufheizen des Rheins

Die Wärmepumpen-Analogie oder:
Die Begründung für Kraft-Wärme-Kopplung

Energieeffizienz: Die Arbeitsfähigkeit der Energie nutzen

 

Das Rechnen mit Entropie und Exergie ist sicherlich etwas umständlicher als das schnelle Aufstellen einer Energiebilanz und darum auch nicht sehr beliebt und verbreitet. Trotzdem ist ein pragmatischer Umgang mit dem Begriff von Arbeitsfähigkeit oder Exergie sehr lohnend: Um Anlagen zu betreiben, benötigen wir Exergie und nicht Energie, die uns in Hülle und Fülle umgibt, nämlich auf Umgebungsniveau. Es ist sehr hilfreich, wenn man sich bei allen Prozessen, die man projektiert oder betreibt, ständig die Frage stellt, 'Wo liegen die größten Exergieverluste?'. Diese Fragestellung führt dann oft zu relativ einfachen Vermeidungsstrategien. Wir Ingenieure sollten unser Gespür für die Arbeitsfähigkeit der Energie pflegen und weiterentwickeln und auch zum besseren Verständnis in die Öffentlichkeit tragen. Deutlich machen läßt sich dies mit folgendem Beispiel:

Beispiel: Aufheizen des Rheins

Würde man die gesamte Feuerungswärmeleistung eines am Rhein gelegenen Heizkraftwerkes eines großen Industriebetriebes dazu benutzen, den Fluß aufzuheizen, so würde sich dessen Temperatur etwa um ein halbes Grad erwärmen. Die Energie wäre damit nicht verloren, das Rheinwasser hätte sich aufgewärmt! Die Arbeitsfähigkeit aber wäre verloren gegangen: Setzt man nämlich dieselbe Energie im Heizkraftwerk um, so kann man mit dem dabei erzeugten Strom alle Motoren und Leuchten des gesamten Werkes betreiben und zusätzlich die notwendige Beheizung vornehmen.

Ein Heizkraftwerk ist nicht deswegen wertvoller als ein Kondensationskraftwerk, weil sein Nutzungsgrad 80 % beträgt, sondern weil es dazu dient, die Exergieverluste in einem reinen Heizkessel zu vermeiden! Ein Kondensationskraftwerk gibt zwar gut die Hälfte seiner Energie über die Kühltürme in die Umgebung ab, diese Energie macht aber exergetisch nur noch 1-2 % aus.

Oder wenn wir einen großen beheizten Lagertank betrachten, so sind die Exergieverluste nicht in der Wärmedämmung des Tankes mit einer Innentemperatur von 50 ° C zu finden, sondern sie gehen im vorgeschalteten Sattdampfkessel verloren. Dies bedeutet kein Plädoyer für den sorglosen Umgang mit Niedertemperaturwärme: Sie kann nur unter Inkaufnahme von Exergieverlusten bereitgestellt werden und diese Exergieverluste sind exakt proportional dem Niedertemperaturwärmebedarf. Diese Exergieverluste lassen sich nur vermeiden, indem man genau an der Stelle die Arbeitsfähigkeit des Brennstoffes auskoppelt, wo noch eine hohe Temperatur vorhanden ist: Eben durch Ersatz des reinen Heizkessels durch eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage.

Die Wärmepumpen-Analogie

Ein schönes Beispiel ist die alte Analogie zum Wärmepumpenprozeß. Es ist gut geeignet, auch dem nicht in der Materie Stehenden eine Vorstellung vom Begriff der Arbeitsfähigkeit der Energie zu geben. Die analogen Begriffe aus der Wärmetechnik sind nachfolgend in eckige Klammern [] gesetzt:

Ausgangssituation

Eine große Stadt muß mit Wasser [Heizwärme] versorgt werden. Elektrische oder sonstige mechanische Energie stehen zunächst nicht zur Verfügung. Die Wasserversorgung könnte aus zwei Vorräten gedeckt werden:

1. Hoch oben in den benachbarten Bergen befindet sich ein kleiner See, aus dem 10 % des Wasserbedarfs der Stadt gedeckt werden könnten. Es kann dem aus den Bergen kommenden kleinen Fluß entnommen werden.

2. Dicht unter der Stadt befindet sich ein großes Grundwasserreservoir [Umgebungswärme], das allerdings zur Wasserversorgung nicht genutzt werden kann, da keine mechanische Energie zum Pumpen bereitsteht.

Die Versorgung der Stadt ist also noch nicht gesichert.

Nutzung der Arbeitsfähigkeit

Läßt man nun das Wasser aus den Bergen statt durch das Flußbett in eine geschlossene Rohrleitung fließen, so baut sich in dieser ein hoher Druck auf.

Das unter Druck stehende Wasser [hohe Temperatur und damit hoher Exergieanteil, Arbeitsfähigkeit] kann eine Turbine antreiben. Diese wiederum treibt eine Pumpe an, die das wenige Meter unter der Stadt befindliche Grundwasser [Umgebungswärme] auf die für die Wasserversorgung der Stadt notwendige Höhe pumpt. [Energie auf Heiztemperaturniveau]

Die Wasserversorgung der Stadt ist damit gesichert.

Vernichtung der Arbeitsfähigkeit

Nun soll ein Ventil in die Druckleitung neben der Turbine installiert werden. Wenn man es öffnet, wird sofort das gesamte Wasser durch das Ventil strömen. Der Druck baut sich dabei ungenutzt ab. Die Turbine aber bleibt stehen und kann die Pumpe nicht mehr antreiben.

Nun kann zwar noch das gesamte Wasser aus den Bergen [Brennstoff] für die Wasserversorgung der Stadt [Wärmeversorgung] genutzt werden, aber sein Fähigkeit, Arbeit zu leisten, geht verloren. Der gesamte Wasserbedarf [Heizwärmebedarf] der Stadt kann nicht mehr gedeckt werden.

Das Ventil entspricht in der Analogie einem Heizkessel. In jedem modernen Heizkessel wird zwar der Energiegehalt des Brennstoffes fast vollständig genutzt, aber seine Arbeitsfähigkeit geht ungenutzt verloren, so wie in der Analogie sich der Druck ungenutzt im Ventil abbaut. Zum Heizen der meisten Prozesse oder Gebäude reicht Energie auf einem niedrigeren Temperaturniveau, d.h. mit einem geringen Anteil aus.

In der Öffentlichkeit müssen wir ein Bewußtsein dafür schaffen, daß elektrischer Strom nicht irgendeine Energie, wie z.B. Erdgas, Heizöl oder Kohle, sondern reine Exergie darstellt, die bereits durch Verlust an Arbeitsfähigkeit an anderer Stelle gewonnen wurde!

Daraus folgt ein Schwerpunkt der industriellen Energietechnik: die Kraft-Wärme-Kopplung.

 

Definition: Energieeffizienz: Die Arbeitsfähigkeit der Energie nutzen

Effizient in diesem Zusammenhang kann nur bedeuten, daß insbesondere Verluste an Arbeitsfähigkeit möglichst weitgehend vermieden werden. Solche Verluste an Arbeitsfähigkeit (dies sind keine Energieverluste) treten in sehr hohem Maße in reinen Heizkesseln auf. Sie sind nicht mehr umkehrbar:

Wenn die Arbeitsfähigkeit der Energie einmal verloren ist, kann sie nicht mehr zurückgewonnen werden.

Thermodynamiker nennen den Teil der Energie, der Arbeit leisten kann, Exergie. Als Anergie wird der entwertete Teil der Energie bezeichnet, der sich auf Umgebungsniveau befindet. Er kann keine Arbeit mehr leisten.